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Entwicklungen rund um Mariupol!
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Entwicklungen rund um Mariupol!
Der gesamte Thread ist stellvertretend für den Hashtag #Mariupol !
Ukraine-Konflikt
Ein Kindergrab am Straßenrand
von Udo Harnach, Mariupol
Der Krieg hat auch den Süden der Ukraine erreicht, wo in diesen Tagen der Tod von zwei Kindern besondere Aufmerksamkeit erregt. Sie starben kurz vor Beginn der Waffenruhe in ihrem Heimatdorf bei Mariupol. Beerdigt werden sie direkt neben der Straße am Ortsrand.
Die Kinder werden beerdigt, wie sie gelebt haben und gestorben sind – nebeneinander in einem Grab. Mutter und Großmutter beugen sich schluchzend über die offenen Särge.
Nikitas Haar weht im Wind. Er scheint zu schlafen. Sein Gesicht wirkt lebendig. Seine Mutter wird ohnmächtig, zu groß ist der Schmerz. Sie kann nicht begreifen, was sie sieht.
Der Krankenwagen kommt zu spät
Am Freitagnachmittag sind die sechsjährige Karolina und ihr zehnjähriger Bruder Nikita im Dorf Lebedyns'ke bei Mariupol gestorben. Rückblick: Gleich neben ihrem Haus explodiert eine Mörsergranate. Die Fensterscheiben zerbrechen. Die Großmutter Liubov Kaschura rennt mit den beiden bei ihr lebenden Enkeln aus dem Haus, sie will mit ihnen in einen Bunker. Nikita leidet an den Folgen von Kinderlähmung. Sie muss ihn im Kinderwagen fahren. Kaum sind sie auf der Straße, wird der Junge durch eine weitere Explosion schwer verletzt, Karolina tödlich getroffen. Auch die Oma wird verletzt. Trotzdem legt sie das tote Mädchen in den Wagen und bringt beide zurück ins Haus.
Kaschura kann ihre Verwandten und Freunde nicht erreichen, sie verliert das Bewusstsein. Als sich nach über zwei Stunden ein Krankenwagen ins Dorf traut, ist es für Nikita zu spät. Sein Bein schwoll stark an, er verblutete innerlich. Niemand im Dorf konnte ihm helfen.
Der Krieg verschont kaum ein Dorf
Der 900-Seelenort Lebedyns'ke liegt wenige Kilometer nordöstlich von Mariupol. Als am Freitagmorgen gegen 6 Uhr die Kämpfe an dieser Seite von Mariupol im Osten der Ukraine beginnen, landen einige Geschosse absichtlich oder versehentlich in dem kleinen Ort. Viele der Dorfbewohner sind längst zu Verwandten und Freunden gezogen. Einigen fehlt das Geld.
So sind sie geblieben und haben gehofft, dass ihre unbedeutende Gemeinde vom Krieg verschont wird. Die, die noch da sind, glauben genau zu wissen, dass die ukrainische Armee auf ihr Dorf geschossen hat. Auch wenn die Granaten offensichtlich aus Richtung der Separatisten kamen.
Großmutter verlässt das Dorf - für immer
Die Beisetzung von Karolina und Nikita findet direkt neben der Straße am Ortsrand statt. Das gemeinsame Grab wurde auf einer Wiese ausgehoben, ein richtiger Friedhof ist das nicht. Es gibt auch keine Kapelle und der Pfarrer kommt aus einem Vorort von Mariupol. Er spricht tröstende Worte, aber sie können das Leid der Trauernden kaum lindern.
Etwa 30 Verwandte, Nachbarn und Freunde stehen fassungslos um die offenen Särge, sie nehmen Abschied. Vorsichtig werden der rote und der blaue Sarg verschlossen und in die Grabkammer hinabgelassen. Als die beiden Holzkreuze aufgestellt sind, schleppt Kaschura sich zum Auto. Sie hat all ihre Habseligkeiten gepackt. Sie will ihr Heimatdorf Lebedyns'ke verlassen – für immer.
Keine Zeit für einen würdigen Abschied
Die Waffenruhe bei Mariupol ist auch an diesem Tag brüchig. Es bleibt keine Zeit für einen würdigen Abschied von den Geschwistern, nur die Hoffnung, dass sie die letzten unschuldigen Opfer in diesem Krieg sind.
Quelle: http://www.heute.de/gefechte-in-der-ukraine-zwei-kinder-sterben-bei-beschuss-von-dorf-nahe-mariupol-34977912.html
Ukraine-Konflikt
Ein Kindergrab am Straßenrand
von Udo Harnach, Mariupol
Der Krieg hat auch den Süden der Ukraine erreicht, wo in diesen Tagen der Tod von zwei Kindern besondere Aufmerksamkeit erregt. Sie starben kurz vor Beginn der Waffenruhe in ihrem Heimatdorf bei Mariupol. Beerdigt werden sie direkt neben der Straße am Ortsrand.
Die Kinder werden beerdigt, wie sie gelebt haben und gestorben sind – nebeneinander in einem Grab. Mutter und Großmutter beugen sich schluchzend über die offenen Särge.
Nikitas Haar weht im Wind. Er scheint zu schlafen. Sein Gesicht wirkt lebendig. Seine Mutter wird ohnmächtig, zu groß ist der Schmerz. Sie kann nicht begreifen, was sie sieht.
Der Krankenwagen kommt zu spät
Am Freitagnachmittag sind die sechsjährige Karolina und ihr zehnjähriger Bruder Nikita im Dorf Lebedyns'ke bei Mariupol gestorben. Rückblick: Gleich neben ihrem Haus explodiert eine Mörsergranate. Die Fensterscheiben zerbrechen. Die Großmutter Liubov Kaschura rennt mit den beiden bei ihr lebenden Enkeln aus dem Haus, sie will mit ihnen in einen Bunker. Nikita leidet an den Folgen von Kinderlähmung. Sie muss ihn im Kinderwagen fahren. Kaum sind sie auf der Straße, wird der Junge durch eine weitere Explosion schwer verletzt, Karolina tödlich getroffen. Auch die Oma wird verletzt. Trotzdem legt sie das tote Mädchen in den Wagen und bringt beide zurück ins Haus.
Kaschura kann ihre Verwandten und Freunde nicht erreichen, sie verliert das Bewusstsein. Als sich nach über zwei Stunden ein Krankenwagen ins Dorf traut, ist es für Nikita zu spät. Sein Bein schwoll stark an, er verblutete innerlich. Niemand im Dorf konnte ihm helfen.
Der Krieg verschont kaum ein Dorf
Der 900-Seelenort Lebedyns'ke liegt wenige Kilometer nordöstlich von Mariupol. Als am Freitagmorgen gegen 6 Uhr die Kämpfe an dieser Seite von Mariupol im Osten der Ukraine beginnen, landen einige Geschosse absichtlich oder versehentlich in dem kleinen Ort. Viele der Dorfbewohner sind längst zu Verwandten und Freunden gezogen. Einigen fehlt das Geld.
So sind sie geblieben und haben gehofft, dass ihre unbedeutende Gemeinde vom Krieg verschont wird. Die, die noch da sind, glauben genau zu wissen, dass die ukrainische Armee auf ihr Dorf geschossen hat. Auch wenn die Granaten offensichtlich aus Richtung der Separatisten kamen.
Großmutter verlässt das Dorf - für immer
Die Beisetzung von Karolina und Nikita findet direkt neben der Straße am Ortsrand statt. Das gemeinsame Grab wurde auf einer Wiese ausgehoben, ein richtiger Friedhof ist das nicht. Es gibt auch keine Kapelle und der Pfarrer kommt aus einem Vorort von Mariupol. Er spricht tröstende Worte, aber sie können das Leid der Trauernden kaum lindern.
Etwa 30 Verwandte, Nachbarn und Freunde stehen fassungslos um die offenen Särge, sie nehmen Abschied. Vorsichtig werden der rote und der blaue Sarg verschlossen und in die Grabkammer hinabgelassen. Als die beiden Holzkreuze aufgestellt sind, schleppt Kaschura sich zum Auto. Sie hat all ihre Habseligkeiten gepackt. Sie will ihr Heimatdorf Lebedyns'ke verlassen – für immer.
Keine Zeit für einen würdigen Abschied
Die Waffenruhe bei Mariupol ist auch an diesem Tag brüchig. Es bleibt keine Zeit für einen würdigen Abschied von den Geschwistern, nur die Hoffnung, dass sie die letzten unschuldigen Opfer in diesem Krieg sind.
Quelle: http://www.heute.de/gefechte-in-der-ukraine-zwei-kinder-sterben-bei-beschuss-von-dorf-nahe-mariupol-34977912.html
Zuletzt von Umnichka am Fr 28 Aug 2015 - 15:42 bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet (Grund : Zusatzinfo)
Festus- Lebt in :Anzahl der Beiträge : 1215Alter : 64
Re: Entwicklungen rund um Mariupol!
Lage in Mariupol:
Die Russen haben heute Wohngebiete mehrfach mit Raketen beschossen! Ein Bild der Verwüstung zeigt sich! Viele Tote und Verwundete!
Gerade eben wird wieder von weiteren Raketenangriffen berichten, auf den östlichen Teil Mariupols!
Werde weiter auf dem Laufenden halten!
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Neues Video:
Lange Version des Dashcam-Videos! Sehr verstörend....
Video direkt nach dem Beschuss
Mittlerweile 27Tote, 97Verletzte!
Video aus Mariupol vom Battalion Azov
Weitere Bilder:
http://www.rferl.org/media/photogallery/ukraine-mariupol/26811110.html
Die Russen haben heute Wohngebiete mehrfach mit Raketen beschossen! Ein Bild der Verwüstung zeigt sich! Viele Tote und Verwundete!
Gerade eben wird wieder von weiteren Raketenangriffen berichten, auf den östlichen Teil Mariupols!
- Für Bilder+Grafiken,Spoiler öffnen:
Werde weiter auf dem Laufenden halten!
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Neues Video:
Lange Version des Dashcam-Videos! Sehr verstörend....
Video direkt nach dem Beschuss
Mittlerweile 27Tote, 97Verletzte!
Video aus Mariupol vom Battalion Azov
Weitere Bilder:
http://www.rferl.org/media/photogallery/ukraine-mariupol/26811110.html
Re: Entwicklungen rund um Mariupol!
Noch ein Video das den Einschlag der Raketen in ein Wohngebiet/in ein Hochhaus zeigt!
Re: Entwicklungen rund um Mariupol!
Im zweiten Video: Wenn meine Frau das richtig verstanden hat, geben sie den "Ukrop", den Ukrainern die Schuld.
Re: Entwicklungen rund um Mariupol!
Gibt halt auch eine Menge ProRussen in Mariupol, ich gehe da schon von ca 30% der Bewohner aus! Denn auch dort war die Russenpropaganda sehr aktiv! Warum das RussenTV dort nicht abgestellt wurde, frage ich mich allerdingsJensinski schrieb:Im zweiten Video: Wenn meine Frau das richtig verstanden hat, geben sie den "Ukrop", den Ukrainern die Schuld.
Eine Namensliste der Getöteten wurde veröffentlicht und eine der Toten, hatte kurz vor ihrem Tod noch "die Befreiung Mariupols durch Russland" gefordert! Wenig später starb sie durch einen Splitter einer russischen GRAD-Rakete...
http://liveuamap.com/en/2015/24-january-woman-who-asked-putin-troops-to-invade-mariupol?ll=47.11807;37.68424&zoom=8
Human Rights Watch bestätigt das Raketen aus Richtung der russischen Terroristen abgefeuert wurden!
http://www.hrw.org/news/2015/01/24/dispatches-rebels-likely-behind-deadly-rocket-attacks-mariupol
Auch sollen die Raketen extra auf ein dicht besiedeltes Wohngebiet geschossen wurden sein...
Re: Entwicklungen rund um Mariupol!
Angst um Frieden in Mariupol
Trotz einer gemäßigt positiven Einschätzung des ukrainischen Präsidenten zum Abzug schwerer Waffen wächst die Sorge um neue Kämpfe in der ostukrainischen Stadt Mariupol. Vertreter der Stadt und des ukrainischen Militärs äußerten sich besorgt und sprachen von einem Scheinrückzug der Aufständischen. Präsident Petro Poroschenko lobte verhalten den Abzug schwerer Waffen auf beiden Seiten, allerdings sagte ein Militärsprecher, um die Stadt Donezk herum würden Waffenlager angelegt.
Die ukrainische Armee habe "den Löwenanteil" ihrer Raketen und schweren Artillerie von der Frontlinie abgezogen, sagte Poroschenko im Staatsfernsehen. Auch "die von Russland unterstützten Kämpfer haben einen bedeutenden Teil abgezogen", betonte er. An der 485 Kilometer langen Front gebe es derzeit mit wenigen Ausnahmen kein Artilleriefeuer.
Dennoch zeigte sich die ukrainische Armee sehr besorgt über die Lage in der strategisch wichtigen Stadt Mariupol am Asowschen Meer. "Wir beobachten bei den Rebellen lediglich eine Imitation des Abzugs schwerer Waffen", sagte Oleg Suschinskij, Armee-Sprecher in Mariupol, der Süddeutschen Zeitung. "Tagsüber ziehen die Rebellen ein paar schwere Waffen ab, um sie an anderen Positionen, wie aufgegebenen Bauernhöfe, zu verstecken. Oder sie bringen die Geschütze nach Einbruch der Dunkelheit auf die alten Positionen zurück."
Geschützdonner bis nach Mariupol
Mariupol gilt als wahrscheinliches nächstes Ziel der vom russischen Militär gestützten Rebellen, sollten die Separatisten sich entscheiden, einen Landweg zur annektierten Krim zu erobern. Zwanzig Kilometer östlich von Mariupol stehen sich Einheiten der Rebellen und des ukrainischen Militärs beim Dorf Schirokino gegenüber. Dort gab es zuletzt viele Schusswechsel. Der Geschützdonner war am Dienstag bis nach Mariupol zu hören.
Generell sei die Lage weiter sehr angespannt, sagte Armeesprecher Suschinskij. Er kritisierte, dass der Abzug der schweren Waffen auf Rebellenseite von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) nicht flächendeckend überwacht werden könne. "Die OSZE hat uns gerade bestätigt, dass die Rebellen ihren Beobachtern nach wie vor keinen uneingeschränkten Zugang gewähren, um den Abzug der schweren Waffen zu überprüfen", sagte der Bürgermeister von Mariupol, Jurij Chotlubej, der SZ. "Wenn sich die Lage zuspitzt, haben wir schwere Waffen in wenigen Stunden in Mariupol in Position gebracht", ergänzte Suschinskij.
In Kiew sagte Armeesprecher Andrej Lyssenko, die militärische Lage habe sich in den letzten Tagen "deutlich verschlechtert". Statt bis zu sechs täglichen Zusammenstößen wie nach Inkrafttreten des Waffenstillstandes habe es etwa am Montag 31 Schusswechsel gegeben. Er warf den Separatisten vor, nahe Donezk Waffendepots einzurichten. Unabhängig überprüfen soll dies die OSZE, deren Kontingent auf tausend Mitarbeiter verdoppelt und auch mit mehr Befugnissen ausgestattet wird. Poroschenko zufolge sind seit Beginn der Waffenruhe 64 ukrainische Soldaten gestorben. Diese Zahl schließt offenbar nicht die Tote in Debalzewe ein.
http://www.sueddeutsche.de/politik/krieg-in-der-ostukraine-angst-um-frieden-in-mariupol-1.2386371
Trotz einer gemäßigt positiven Einschätzung des ukrainischen Präsidenten zum Abzug schwerer Waffen wächst die Sorge um neue Kämpfe in der ostukrainischen Stadt Mariupol. Vertreter der Stadt und des ukrainischen Militärs äußerten sich besorgt und sprachen von einem Scheinrückzug der Aufständischen. Präsident Petro Poroschenko lobte verhalten den Abzug schwerer Waffen auf beiden Seiten, allerdings sagte ein Militärsprecher, um die Stadt Donezk herum würden Waffenlager angelegt.
Die ukrainische Armee habe "den Löwenanteil" ihrer Raketen und schweren Artillerie von der Frontlinie abgezogen, sagte Poroschenko im Staatsfernsehen. Auch "die von Russland unterstützten Kämpfer haben einen bedeutenden Teil abgezogen", betonte er. An der 485 Kilometer langen Front gebe es derzeit mit wenigen Ausnahmen kein Artilleriefeuer.
Dennoch zeigte sich die ukrainische Armee sehr besorgt über die Lage in der strategisch wichtigen Stadt Mariupol am Asowschen Meer. "Wir beobachten bei den Rebellen lediglich eine Imitation des Abzugs schwerer Waffen", sagte Oleg Suschinskij, Armee-Sprecher in Mariupol, der Süddeutschen Zeitung. "Tagsüber ziehen die Rebellen ein paar schwere Waffen ab, um sie an anderen Positionen, wie aufgegebenen Bauernhöfe, zu verstecken. Oder sie bringen die Geschütze nach Einbruch der Dunkelheit auf die alten Positionen zurück."
Geschützdonner bis nach Mariupol
Mariupol gilt als wahrscheinliches nächstes Ziel der vom russischen Militär gestützten Rebellen, sollten die Separatisten sich entscheiden, einen Landweg zur annektierten Krim zu erobern. Zwanzig Kilometer östlich von Mariupol stehen sich Einheiten der Rebellen und des ukrainischen Militärs beim Dorf Schirokino gegenüber. Dort gab es zuletzt viele Schusswechsel. Der Geschützdonner war am Dienstag bis nach Mariupol zu hören.
Generell sei die Lage weiter sehr angespannt, sagte Armeesprecher Suschinskij. Er kritisierte, dass der Abzug der schweren Waffen auf Rebellenseite von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) nicht flächendeckend überwacht werden könne. "Die OSZE hat uns gerade bestätigt, dass die Rebellen ihren Beobachtern nach wie vor keinen uneingeschränkten Zugang gewähren, um den Abzug der schweren Waffen zu überprüfen", sagte der Bürgermeister von Mariupol, Jurij Chotlubej, der SZ. "Wenn sich die Lage zuspitzt, haben wir schwere Waffen in wenigen Stunden in Mariupol in Position gebracht", ergänzte Suschinskij.
In Kiew sagte Armeesprecher Andrej Lyssenko, die militärische Lage habe sich in den letzten Tagen "deutlich verschlechtert". Statt bis zu sechs täglichen Zusammenstößen wie nach Inkrafttreten des Waffenstillstandes habe es etwa am Montag 31 Schusswechsel gegeben. Er warf den Separatisten vor, nahe Donezk Waffendepots einzurichten. Unabhängig überprüfen soll dies die OSZE, deren Kontingent auf tausend Mitarbeiter verdoppelt und auch mit mehr Befugnissen ausgestattet wird. Poroschenko zufolge sind seit Beginn der Waffenruhe 64 ukrainische Soldaten gestorben. Diese Zahl schließt offenbar nicht die Tote in Debalzewe ein.
http://www.sueddeutsche.de/politik/krieg-in-der-ostukraine-angst-um-frieden-in-mariupol-1.2386371
Re: Entwicklungen rund um Mariupol!
Lesenswert!
Kämpfe um Mariupol in der Ostukraine
Warten auf den Feind
Die Einwohner von Mariupol sind von den ständigen Gefechten zermürbt. Wie kann man eine Stadt verteidigen, die gar nicht verteidigt werden will?
Manchmal ist es besser, in Mariupol den Mund zu halten. Ein Mann lehnt an einer Mauer im Stadtviertel Wostotschni und hält sein Morgenbier in der Hand. Als er hört, dass jemand etwas auf Englisch sagt, fängt er an zu keifen. Die Flasche schwenkt er, als wolle er sie werfen. Die Englischlehrerin Margo Stachiw beschleunigt ihren Schritt und biegt um die Ecke in eine unbelebte Gasse. Sie blickt sich um. In der Straße sind kaum Fußgänger unterwegs, niemand ist in Hörweite. „Ich habe dich gewarnt. Die Leute in Wostotschni mögen keine Europäer“, flüstert sie in der fremden Sprache.
Die Mauern der Wohnblocks ringsum tragen Narben wie Pockengesichter. Die Trümmer der Grad-Raketen, die im Januar hier auf dem Wochenmarkt von Wostotschni eingeschlagen sind, haben sich wie glühende Nägel in den Beton gebohrt. Auf dem Markt selbst hinterließen sie an jenem Tag einen Sumpf von Blut und zerfetzen Gliedmaßen. Die Stadtverwaltung zählte dreißig Tote. Die Menschen in Wostotschni glauben aber bis heute, dass es viel mehr gewesen seien.
Zwei Monate und ein Waffenstillstandsabkommen später sitzen die Menschen in Wostotschni, das übersetzt das Östliche Viertel heißt, abends in ihren Wohnungen und beobachten ein Wetterleuchten am Himmel, das keines ist. Sie bereiten ihr Abendessen zu, während draußen nur wenige Kilometer östlich in dem umkämpften Ort Schirokino Mörsergranaten explodieren. Die dürfte seit dem Minsker Abkommen vom 12. Februar 2015 eigentlich keine Seite mehr einsetzen. Die Bewohner gehen mit der Angst ins Bett, das eines der Geschosse ihren Wohnblock trifft. Keine Sirene wird sie warnen.
Doch selbst wenn es ein Frühwarnsystem gäbe – wie sollen sie rechtzeitig vor dem Einschlag von einem höheren Stockwerk in die provisorischen Schutzbunker im Kellergeschoss rennen? So schnell kann kein Mensch laufen. Also bleibt den Menschen in Wostotschni nur die Hoffnung, dass es wieder gut geht in dieser Nacht. Und am Morgen wird ein neuer Tag bleischwer auf ihnen lasten, an dem sie wieder dem Himmel über ihren Köpfen nicht trauen können.
Das Gehör ist sensibler geworden
Margo Stachiw lebt in einem Viertel von Mariupol, das direkt an Wostotschni grenzt. Auch sie hört von ihrer Wohnung aus jeden Tag in der Ferne das Grollen der Geschütze und das Knattern der Maschinengewehre. Ihr Gehör, sagt sie, sei in den vergangenen Monaten sensibler geworden. Sie könne erkennen, ob die Front stagniert und Ukrainer und Separatisten sich nur gegenseitig beharken. Dann dreht sie oft die Musik einfach lauter, die sie mit Kopfhörern hört.
Vor wenigen Tagen musste sie aber an den Rucksack mit Dokumenten, Geld und Kleidungsstücken denken, den sie in einen Schrank gepackt hat und mit dem sie im Notfall irgendwohin flüchten möchte, wie sie sagt. Denn der Donner der Artillerie schien bedrohlich laut. Dann flauten die Kämpfe aber wieder ab, und sie hört nun von der Front nicht mehr als den Gute-Nacht-Gruß mit Mörsergranaten, den beiden Seiten in den Abendstunden über die Front hinweg austauschen.
Margo Stachiw hat den Rucksack mit dem Nötigsten also im Schrank gelassen. Stattdessen packt sie ihre guten Sachen in Ruhe in ihren Koffer. Das Ticket für die Fahrt in die Hauptstadt Kiew ist schon gebucht, die Einladungen für Vorstellungsgespräche hat sie bereits erhalten. Keine überhastete Flucht vor den anrückenden Truppen der „Donezker Volksrepublik“ kommt der geplanten Ausreise aus der umkämpften Stadt dazwischen.
Die Angst, in einem anderen Land aufzuwachen
Margo Stachiw will nur noch weg aus Mariupol. Weg von der Angst, morgen in einem anderen Land aufzuwachen, wenn nachts nicht ein Raketenangriff das Leben beendet hat. Weg aus einer Stadt, in der sie es immer schwerer habe, sie selbst zu sein, wie sie sagt. „Ich habe Angst, in Mariupol Ukrainisch zu sprechen“, sagt die 23-Jährige. Margo Stachiw gehört zur russischsprachigen Mehrheit in Mariupol. Aber sie spricht auch Ukrainisch und schwärmt von Lwiw, der Großstadt im Westen des Landes. Es gehöre Mut dazu, sich dazu in manchen Teilen von Mariupol zu bekennen.
„Und seit dem Raketenangriff im Januar ist es noch schlimmer geworden“, sagt sie. Damals rückten die ukrainischen Freiwilligen des Asow-Regiments als Erste am Ort des Einschlags an. Für viele Bewohner gilt das als Beleg, dass die Asow-Kämpfer vorab Bescheid wussten von dem Blutbad. „Viele Menschen in Mariupol glauben, was ihre Verwandten in Russland sagen. Dass die Ukraine an allem schuld ist und auch die Geschosse abgefeuert hat“, erzählt Stachiw. Die eindeutigen Belege der OSZE, dass die Raketen vom Gebiet der Separatisten im Osten abgeschossen worden sind, interessiere die Menschen nicht. „Die russischen Medien sagen, dass die Europäer Komplizen der ukrainischen Faschisten sind. Also glaubt ihnen niemand.“
Der Hass auf Europäer in ihrem Viertel Wostotschni tut der Englischlehrerin weh. Sie träumt davon, irgendwann nach Schottland zu reisen. Bisher hat sie es nur in die westlichen Nachbarstaaten geschafft – nach Polen, in die Slowakei, nach Ungarn. Obwohl sie nur einen kleinen Teil des Kontinents kennt, spricht Margo Stachiw das Wort „Europa“ geradezu liebevoll aus. Warum so viele Menschen um sie herum dasselbe Wort nur mit Abscheu äußern, versteht sie nicht.
"Die Separatisten haben die Geschäfte geplündert"
Die ukrainischen Soldaten und erst recht die Kämpfer der Freiwilligenbataillone würden viele als Besatzer wahrnehmen. „Dabei waren es die Separatisten, die im Sommer Geschäfte geplündert haben“, erzählt sie. Ein halbes Jahr, nachdem die ukrainischen Truppen Mariupol zurückerobert haben, hat Margo Stachiw zumindest wieder ein sicheres Gefühl, wenn sie nach Einbruch der Dunkelheit unterwegs ist.
Eigentlich müssten die anderen Frauen in der Nachbarschaft ähnlich empfinden, glaubt sie. Doch ihre eigene Mutter wettert tagtäglich gegen die ukrainischen Soldaten und freiwilligen Kämpfer. Einen Plan B für den Fall, dass sie sich in Kiew nicht über Wasser halten kann, hat Margo Stachiw nicht. Doch einen Rückfahrtkarte nach Mariupol würde sie auf keinen Fall kaufen, beteuert sie.
Vielleicht war es der schwerste Fehler der ukrainischen Truppen, der Stadt Lenin zu nehmen. Nachdem Mariupol im Sommer wieder in der Hand der Armee und der Freiwilligenverbände war, wurde die Statue des Bolschewikenführers vom Sockel gehoben. Ein Holzkreuz wurde vor dem enthaupteten Denkmal errichtet. Das Kreuz blieb aber nicht lange. Es verschwand eines Nachts. Seitdem liefern sich die Stadtverwaltung und die Rächer Lenins ein Spiel. Wer hat den längeren Atem? Die einen stellen ihr Holzkreuz auf, die anderen rücken nachts mit Äxten an, um es zu fällen.
http://taz.de/Kaempfe-um-Mariupol-in-der-Ostukraine/!156933/
Kämpfe um Mariupol in der Ostukraine
Warten auf den Feind
Die Einwohner von Mariupol sind von den ständigen Gefechten zermürbt. Wie kann man eine Stadt verteidigen, die gar nicht verteidigt werden will?
Manchmal ist es besser, in Mariupol den Mund zu halten. Ein Mann lehnt an einer Mauer im Stadtviertel Wostotschni und hält sein Morgenbier in der Hand. Als er hört, dass jemand etwas auf Englisch sagt, fängt er an zu keifen. Die Flasche schwenkt er, als wolle er sie werfen. Die Englischlehrerin Margo Stachiw beschleunigt ihren Schritt und biegt um die Ecke in eine unbelebte Gasse. Sie blickt sich um. In der Straße sind kaum Fußgänger unterwegs, niemand ist in Hörweite. „Ich habe dich gewarnt. Die Leute in Wostotschni mögen keine Europäer“, flüstert sie in der fremden Sprache.
Die Mauern der Wohnblocks ringsum tragen Narben wie Pockengesichter. Die Trümmer der Grad-Raketen, die im Januar hier auf dem Wochenmarkt von Wostotschni eingeschlagen sind, haben sich wie glühende Nägel in den Beton gebohrt. Auf dem Markt selbst hinterließen sie an jenem Tag einen Sumpf von Blut und zerfetzen Gliedmaßen. Die Stadtverwaltung zählte dreißig Tote. Die Menschen in Wostotschni glauben aber bis heute, dass es viel mehr gewesen seien.
Zwei Monate und ein Waffenstillstandsabkommen später sitzen die Menschen in Wostotschni, das übersetzt das Östliche Viertel heißt, abends in ihren Wohnungen und beobachten ein Wetterleuchten am Himmel, das keines ist. Sie bereiten ihr Abendessen zu, während draußen nur wenige Kilometer östlich in dem umkämpften Ort Schirokino Mörsergranaten explodieren. Die dürfte seit dem Minsker Abkommen vom 12. Februar 2015 eigentlich keine Seite mehr einsetzen. Die Bewohner gehen mit der Angst ins Bett, das eines der Geschosse ihren Wohnblock trifft. Keine Sirene wird sie warnen.
Doch selbst wenn es ein Frühwarnsystem gäbe – wie sollen sie rechtzeitig vor dem Einschlag von einem höheren Stockwerk in die provisorischen Schutzbunker im Kellergeschoss rennen? So schnell kann kein Mensch laufen. Also bleibt den Menschen in Wostotschni nur die Hoffnung, dass es wieder gut geht in dieser Nacht. Und am Morgen wird ein neuer Tag bleischwer auf ihnen lasten, an dem sie wieder dem Himmel über ihren Köpfen nicht trauen können.
Das Gehör ist sensibler geworden
Margo Stachiw lebt in einem Viertel von Mariupol, das direkt an Wostotschni grenzt. Auch sie hört von ihrer Wohnung aus jeden Tag in der Ferne das Grollen der Geschütze und das Knattern der Maschinengewehre. Ihr Gehör, sagt sie, sei in den vergangenen Monaten sensibler geworden. Sie könne erkennen, ob die Front stagniert und Ukrainer und Separatisten sich nur gegenseitig beharken. Dann dreht sie oft die Musik einfach lauter, die sie mit Kopfhörern hört.
Vor wenigen Tagen musste sie aber an den Rucksack mit Dokumenten, Geld und Kleidungsstücken denken, den sie in einen Schrank gepackt hat und mit dem sie im Notfall irgendwohin flüchten möchte, wie sie sagt. Denn der Donner der Artillerie schien bedrohlich laut. Dann flauten die Kämpfe aber wieder ab, und sie hört nun von der Front nicht mehr als den Gute-Nacht-Gruß mit Mörsergranaten, den beiden Seiten in den Abendstunden über die Front hinweg austauschen.
Margo Stachiw hat den Rucksack mit dem Nötigsten also im Schrank gelassen. Stattdessen packt sie ihre guten Sachen in Ruhe in ihren Koffer. Das Ticket für die Fahrt in die Hauptstadt Kiew ist schon gebucht, die Einladungen für Vorstellungsgespräche hat sie bereits erhalten. Keine überhastete Flucht vor den anrückenden Truppen der „Donezker Volksrepublik“ kommt der geplanten Ausreise aus der umkämpften Stadt dazwischen.
Die Angst, in einem anderen Land aufzuwachen
Margo Stachiw will nur noch weg aus Mariupol. Weg von der Angst, morgen in einem anderen Land aufzuwachen, wenn nachts nicht ein Raketenangriff das Leben beendet hat. Weg aus einer Stadt, in der sie es immer schwerer habe, sie selbst zu sein, wie sie sagt. „Ich habe Angst, in Mariupol Ukrainisch zu sprechen“, sagt die 23-Jährige. Margo Stachiw gehört zur russischsprachigen Mehrheit in Mariupol. Aber sie spricht auch Ukrainisch und schwärmt von Lwiw, der Großstadt im Westen des Landes. Es gehöre Mut dazu, sich dazu in manchen Teilen von Mariupol zu bekennen.
„Und seit dem Raketenangriff im Januar ist es noch schlimmer geworden“, sagt sie. Damals rückten die ukrainischen Freiwilligen des Asow-Regiments als Erste am Ort des Einschlags an. Für viele Bewohner gilt das als Beleg, dass die Asow-Kämpfer vorab Bescheid wussten von dem Blutbad. „Viele Menschen in Mariupol glauben, was ihre Verwandten in Russland sagen. Dass die Ukraine an allem schuld ist und auch die Geschosse abgefeuert hat“, erzählt Stachiw. Die eindeutigen Belege der OSZE, dass die Raketen vom Gebiet der Separatisten im Osten abgeschossen worden sind, interessiere die Menschen nicht. „Die russischen Medien sagen, dass die Europäer Komplizen der ukrainischen Faschisten sind. Also glaubt ihnen niemand.“
Der Hass auf Europäer in ihrem Viertel Wostotschni tut der Englischlehrerin weh. Sie träumt davon, irgendwann nach Schottland zu reisen. Bisher hat sie es nur in die westlichen Nachbarstaaten geschafft – nach Polen, in die Slowakei, nach Ungarn. Obwohl sie nur einen kleinen Teil des Kontinents kennt, spricht Margo Stachiw das Wort „Europa“ geradezu liebevoll aus. Warum so viele Menschen um sie herum dasselbe Wort nur mit Abscheu äußern, versteht sie nicht.
"Die Separatisten haben die Geschäfte geplündert"
Die ukrainischen Soldaten und erst recht die Kämpfer der Freiwilligenbataillone würden viele als Besatzer wahrnehmen. „Dabei waren es die Separatisten, die im Sommer Geschäfte geplündert haben“, erzählt sie. Ein halbes Jahr, nachdem die ukrainischen Truppen Mariupol zurückerobert haben, hat Margo Stachiw zumindest wieder ein sicheres Gefühl, wenn sie nach Einbruch der Dunkelheit unterwegs ist.
Eigentlich müssten die anderen Frauen in der Nachbarschaft ähnlich empfinden, glaubt sie. Doch ihre eigene Mutter wettert tagtäglich gegen die ukrainischen Soldaten und freiwilligen Kämpfer. Einen Plan B für den Fall, dass sie sich in Kiew nicht über Wasser halten kann, hat Margo Stachiw nicht. Doch einen Rückfahrtkarte nach Mariupol würde sie auf keinen Fall kaufen, beteuert sie.
Vielleicht war es der schwerste Fehler der ukrainischen Truppen, der Stadt Lenin zu nehmen. Nachdem Mariupol im Sommer wieder in der Hand der Armee und der Freiwilligenverbände war, wurde die Statue des Bolschewikenführers vom Sockel gehoben. Ein Holzkreuz wurde vor dem enthaupteten Denkmal errichtet. Das Kreuz blieb aber nicht lange. Es verschwand eines Nachts. Seitdem liefern sich die Stadtverwaltung und die Rächer Lenins ein Spiel. Wer hat den längeren Atem? Die einen stellen ihr Holzkreuz auf, die anderen rücken nachts mit Äxten an, um es zu fällen.
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- Heimat Sowjetunion
Max Nikolajenko wundert es nicht, dass viele in Mariupol das Sakrileg an Lenin bis heute nicht verwunden haben. „Vor dem Zweiten Weltkrieg war Mariupol eine ukrainische Stadt. Danach haben sich hier Menschen aus der ganzen Sowjetunion angesiedelt. Die meisten haben immer noch das Gefühl, dass nicht Russland oder die Ukraine ihr Heimatland ist, sondern die UdSSR“, glaubt Nikolajenko. Seine eigene Familie stammt aus Russland genau wie die seiner Freundin, und er spricht Russisch. Und es erstaunt ihn nicht, dass viele Menschen in Mariupol weder ukrainisch bleiben wollen noch unter der Herrschaft der Separatisten leben möchten. „Viele hoffen, dass die russische Armee kommt und für Ruhe sorgt.“
Der 30-jährige Ingenieur arbeitet für das Stahlwerk Asowstal. Es gehört zum Metinvest-Imperium des Donezker Oligarchen Rinat Achmetow. Sein Gehalt ist in den vergangenen Monaten von umgerechnet 800 Dollar auf 150 Dollar geschrumpft. Asowstal bekommt keinen Nachschub mehr an Eisenerz und Steinkohle aus den Gebieten der „Donezker Volksrepublik“. Deshalb hat das Unternehmen die Arbeiter in Kurzarbeit geschickt. Mariupols Metaller haben nun weniger Lohn in der Tasche, während der Krieg die Preise immer höher steigen lässt.
Die Schwierigkeiten von Asowstal reißen die ganze Wirtschaft der Stadt in den Abgrund. Metinvest ist Mariupol und Mariupol ist Metinvest, sagen die Menschen. Die Wirtschaft der ganzen Stadt hängt vom Wohlergehen des größten Arbeitgebers ab. Haben die Metaller kein Geld, kaufen sie nichts und die Cafés und Restaurants bleiben leer. Max Nikolajenko erstaunt es deshalb nicht, dass die Menschen in Mariupol nur eines wollen: Frieden – egal zu welchem Preis und unter welcher Flagge.
Träumen im Café La Rochelle
Der schlimmste Feind der Ukraine sei das russische Fernsehen, glaubt Nikolajenko. Der Ingenieur trifft sich mit seiner Freundin Alina Malygina gern im Café La Rochelle in der Innenstadt. Die Wände sind dekoriert mit Bildern von Catherine Deneuve, Jean-Paul Belmondo und anderen französischen Stars. Édith Piaf haucht aus den Musikboxen ihre Chansons.
Max und Alina stammen aus Russland, sprechen Russisch, träumen aber von einer europäischen Leben. Die Ukraine ist für sie wie eine Brücke in eine Welt, in der sie vielleicht einmal ohne Visum nach Paris reisen könnten. Nur, in ihren Familien und in ihrem Freundes- und Kollegenkreis sind viele ganz anderer Meinung. Im Februar 2014 haben sich beide vor allem über das Internet über die Ereignisse auf dem Maidan und danach auf der Krim und im Donbass informiert. Ihre Verwandten hätten dagegen das russische Fernsehen eingeschaltet.
Als die ukrainischen Truppen und die Freiwilligenbataillone im Sommer die Stadt von den Separatisten zurückerobert haben, war die Angst vor Gräueltaten groß. „Für viele Leute war es klar, dass uns Faschisten eingenommen haben. Und sie glauben es immer noch, obwohl hier niemand Kinder umbringt oder Leute aufhängt“, sagt Alina. Die Tatsache, dass es in Mariupol nicht einmal eine nächtliche Ausgangssperre gibt, ändere nichts an dem Gefühl vieler Menschen, unter einem brutalen Besatzungsregime zu leiden.
Hauptsache ein Staat sorgt, welcher ist egal
„Sie wollen von der Regierung in Kiew mehr finanzielle Unterstützung, lehnen aber die ukrainischen Truppen ab. Das ist absurd“, ruft die 23-Jährige. Ihr Freund findet das weniger widersprüchlich, weil für ihn Mariupol ein aus der Zeit gefallenes Stück Sowjetunion ist. „Die Menschen können mit Patriotismus nichts anfangen. Für sie gibt es nur sie selbst und den Staat, der sie versorgt“, sagt er. Welcher Staat das letztlich ist, sei den Leuten gleichgültig.
Wie lässt sich eine Stadt verteidigen, die vielleicht gar nicht verteidigt werden will? „Budweiser“ und „Sidori“ stellen sich diese Frage nicht. Die beiden Kämpfer des Freiwilligenbataillons Dnipro nennen lediglich ihre Kampfnamen, die sie auch über Funk kommunizieren. Eine Vorsichtsmaßnahme für den Fall, dass sie der anderen Seite in die Hände fallen. Die Angst vor Rache ist groß. Sie haben schließlich Verwandte in den Separatistengebieten. Was passiert, wenn die „Donezker Volksrepublik“ herausbekommt, dass jemand aus der Familie für die andere Seite kämpft?
„Budweiser“ und „Sidori“ ist es egal, ob die Menschen in Mariupol sie mögen oder nicht. Sie haben andere Dinge zu tun, behaupten sie. Vor allem müssen sie schauen, wie sie im Stellungskrieg um die Kleinstadt Schirokino 15 Kilometer außerhalb von Mariupol am Leben bleiben. Allein in den vergangenen 24 Stunden hätte es fünf Kameraden erwischt, erzählen sie. Die Separatisten würden ihre schweren Waffen verstecken, damit die OSZE-Beobachter sie nicht so leicht entdeckten. Doch sobald es dunkel wird, würden sie aus vollen Rohren feuern. Dass es in Kürze zu einem Angriff auf Mariupol kommt, steht für die Kämpfer fest.
"Budweiser" und "Sidori"
Beide fahren in voller Montur in ihrem Jeep durch Mariupol. Die Maschinengewehre haben sie griffbereit zwischen ihre Schenkel abgestellt. „Natürlich kann ich verstehen, dass die Menschen Angst haben, wenn sie bewaffnete Männer wie uns sehen“, räumt „Budweiser“ ein. Doch damit endet schon sein Verständnis für die Einwohner, die den Freiwilligenverbänden ablehnend gegenüberstehen.
„Wer etwas gegen Leute hat, die unser Land verteidigen, soll doch nach Russland gehen“, schimpfen er. „Sidori“ sieht es so: „Wenn ich Insekten im Haus habe und diese Insekten der Meinung sind, das sei ihr Zuhause, werde ich sie trotzdem vernichten“. Die Frage, was das Bataillon Dnipro also tut, um auch diejenigen in Mariupol zu überzeugen, die sie als Besatzer sehen, hat sich mit „Sidoris“ Vergleich erübrigt.
Die Partisanen Mariupols brauchen jemand, der auf sie aufpasst. Sie haben ihre Zentrale in einem Kellergeschoss im Zentrum der Stadt. Einer muss draußen Wache schieben, weil auf das Büro der „Samooborona“, der Selbstverteidigungskräfte, schon mehrmals Brandsätze geschleudert worden sind. Im Inneren des Raums hängt ein Verteilerkasten, der in den Flammen geschmolzen ist. Ansonsten glänzt der Raum in einem hellen Gelb, das die Freiwilligen nach dem letzten Anschlag über den Ruß gepinselt haben.
Ein nervöser Partisan
Maxim Swetlow zieht nicht einmal Anorak und Stiefel aus, um ein Interview zu geben. Nervös spielt der Kopf der Mariupoler „Samoobrona“ mit seinem Autoschlüssel, als müsste er schon längst dringend weg sein. Die Zeit scheint abzulaufen für den Mann, der einen Partisanenkampf vorbereiten will.
200 Männer zählt Swetlow zu seinen Mitkämpfern. 1.000 Bürger aus Mariupol will er trainiert haben, wie sie sich zum Beispiel mit Messern verteidigen könnten. Glaubt er selbst, dass seine Truppe irgendetwas ausrichten könnte? „Wir tun, was wir können.“ Auf die Frage, warum denn der Rest der 470.000 Einwohner glaubt, dass es besser ist, sich nicht auf eine Selbstverteidigung vorzubereiten, gibt er eine kurze Antwort: „Die meisten Menschen wollen Frieden, keinen Krieg.“
Und er selbst, warum will er sich in ein vielleicht aussichtsloses letztes Gefecht stürzen? Swetlow berichtet von Gräueltaten der anderen Seite in der „Donezker Volksrepublik“. Sie könnten wahr sein, sie könnten Propaganda sein. Dann wird der russischstämmige Mann aus Mariupol grundsätzlich. „Die Russen sind unsere Brüder. Aber wenn mein Bruder mir vorschreiben will, wie ich zu leben habe, dann darf ich mich wehren.“ Mit seiner Wut auf den großen Bruder ist der Partisan ziemlich allein in einer Stadt, die ihr Schicksal erwartet.
http://taz.de/Kaempfe-um-Mariupol-in-der-Ostukraine/!156933/
Re: Entwicklungen rund um Mariupol!
Die gespenstische Ruhe vor dem Sturm
Seit Monaten fürchtet die ukrainische Hafenstadt Mariupol eine Großoffensive prorussischer Rebellen. Die Industriemetropole ist strategisch wichtig - vor allem aber ist sie innerlich gespalten.
Familien spielen mit ihren kleinen Kindern am Strand, in der Ferne gleiten Containerriesen über das Meer, sanft kräuseln sich die Wellen. Ein normaler warmer Sommertag in Mariupol, der ukrainischen Hafenmetropole am Asowschen Meer. Doch in dieser Stadt ist nichts normal - allenfalls die Spannung, die seit Monaten wie ein sich nie entladendes Gewitter in der Luft hängt.
Die alte Kosakenstadt, schon in den Händen von Türken, Russen und Deutschen, wartet auf die lang angekündigte Offensive prorussischer Rebellen. Jeden Tag wabern neue Gerüchte durch die Straßen, vom Angriff am Morgen oder in der Nacht, mal von Norden, mal von Osten.
Abends hören die Bewohner das Donnern von Artilleriegeschützen am Strand. Zwei kurze dumpfe Schläge folgen jedem Abschuss. Der Wind trägt sie von der Front im Dorf Schirokine herbei. Dort, höchstens 20 Kilometer entfernt, liefern sich ukrainische Soldaten und prorussische Rebellen trotz des offiziellen Waffenstillstands seit Februar heftige Scharmützel.
Fiele Mariupol an die Separatisten, erhielte Russland eine Landbrücke zur Krim und zum Schwarzen Meer. Die Ukraine verlöre einen ihrer wichtigsten Häfen und die größten Stahlwerke des Landes. Niemand weiß, ob eine Invasion wirklich kommt, aber die Angst davor ist überall zu spüren.
Mariupol bereitet sich auf einen Angriff vor
Knapp eine halbe Million Menschen lebte hier vor dem Krieg. Viele sind geflohen. Die Verbliebenen versuchen, ihren Alltag zu leben, so gut es geht. Mütter bringen ihre Kinder am Tag zur Schule, um die Plattenbauten drehen abends Jogger ihre Runden, am Meer angeln Rentner. Mittendrin laufen die Vorbereitungen für einen möglichen Angriff.
An den Ausfallstraßen hat die Armee mit Sandsäcken und Betonblöcken Straßensperren errichtet. Vor der Stadt heben Freiwillige und Soldaten Gräben aus, errichten Gefechtsstellungen. Für einen Angriff von See wurden angeblich Teile der Küste vermint. Es soll sich nicht wiederholen, was im April vorigen Jahres passierte: Da nahmen prorussische Separatisten Mariupol im Handstreich ein. „Unser Feind ist diesmal hoffentlich nicht so dumm anzugreifen. Es würde ein Blutbad geben“, sagt ein Sprecher des Asow-Bataillons. Kämpfer dieses Freiwilligenverbands befreiten die Stadt nach zwei Monaten aus den Händen der Separatisten.
"Wenn sterben, dann hier"
Seitdem rollte eine patriotische Welle durch die Stadt. Menschen wie Maria Podybajlo wollten nicht untätig auf den Tag X warten. Die Uni-Dozentin bemalte zusammen mit ihren Studenten Laternen und Strommasten in Blau und Gelb, den ukrainischen Nationalfarben. Sie sammelt Geld für Munition, Essen und Schutzwesten. Und sie gründete die Organisation „Neues Mariupol“, mit der sie Teenagern beibringen will, dass sie womöglich eines Tages ihre Heimatstadt verteidigen müssen.
Die 40-Jährige mit dem blonden Kurzhaarschnitt beobachtet eine Gruppe von Jugendlichen, die sich mit Liegestützen abmühen, an Tauen entlanghangeln, um die Wette rennen. Auf einem Militärgelände im Stadtteil Primorskij nahe dem Meer üben die Jugendlichen Erste Hilfe; wie man mit Luftgewehren schießt und Kalaschnikows zusammensetzt. Walerija, die mit ihren drei Freundinnen am Training teilnimmt, ist begeistert. Die 16-Jährige trägt Leggings und hat modisch ihr T-Shirt über dem Nabel geknotet. Alle vier Mädchen wollen zur Armee, falls der Ukraine-Konflikt nach ihrer Schulzeit nicht beendet ist. „Ich dachte erstmals darüber nach, als die Kämpfe nach Mariupol kamen“, erzählt Walerija. „Es gab Panik in meiner Straße. Ich habe mir gedacht, wenn sterben, dann hier.“
Die Stadt ist zerrissen
Die patriotischen Aufwallungen haben jedoch nicht alle erfasst. Viktoria Priduschenko, eine Ex- Nationalgardistin, die zu Fuß durch die Stadt patrouilliert, spricht sogar vom „inneren Feind, vor dem man sich hüten muss“. Denn Mariupol ist gespalten, zerrissen zwischen Russland und der Ukraine. Genau deshalb könnten die Kämpfe, sollten sie ausbrechen, besonders blutig werden.
Sogar Bürgermeister unterstützte kurzzeitig Seperatisten
Etwa ein Drittel der Bevölkerung wären laut Umfragen lieber Teil der prorussischen „Volksrepublik Donezk“. Nach der Eroberung durch die Separatisten voriges Jahr stimmten 92 Prozent für die Abspaltung von der Ukraine. Allerdings war die Beteiligung wegen der Kämpfe relativ niedrig. Bürgermeister Jurij Chotlubej, langjähriges Mitglied der Janukowitsch-treuen „Partei der Regionen“, und die Polizei trugen das orange-schwarze St. Georgsband, das Erkennungszeichen der Separatisten, zur Schau. Inzwischen schwenkte der Stadtchef öffentlich auf die Seite der Ukraine um.
Auch der größte Magnat der Stadt, Rinat Achmetow, verhielt sich zwiespältig. Der Besitzer von Asow-Stahl, der Iljitsch-Stahlwerke und der Waggonwerke Asowmasch unterstützte angeblich zunächst die prorussischen Rebellen. Erst einen Monat nach der Besetzung der Verwaltungsgebäude in Mariupol ließ er seine Arbeiter für eine geeinte Ukraine auf die Straße gehen. Achmetows Geschäfte sind eng mit Russland verbunden: Es war größter Abnehmer der Züge und Zisternen von Asowmasch. Jetzt muss sich die Fabrik neue Käufer suchen.
Im Osten Mariupols riecht es nach Achmetows Stahlwerken, nach Kohle und Ruß. Im Arbeiterviertel Wostotschnyj gibt es keine Cafés, nur Kioske, an denen Bier verkauft wird. Einzelne Graffiti mit den Buchstaben „DVR“- Donezker Volksrepublik - sind an Häuserwände geschmiert. Viele Fassaden sind durchlöchert, Plastikplanen ersetzen Fenster. Im Januar gingen hier Grad-Raketen nieder - abgefeuert aus dem von Separatisten kontrollierten Gebiet. Das jedenfalls behaupteten Beobachter der OSZE.
Konflikt zerreißt Familien
Wladislaw besitzt ein Bekleidungsgeschäft in Wostotschnyj; er glaubt diese Geschichte nicht. Auch sein Kiosk wurde von Raketen getroffen. Er ist sicher, dass die ukrainische Armee sie abgeschossen hat, um die Stimmung zu beeinflussen. „Vorher hatte die Stadtverwaltung sogar Gas, Strom und Wasser abgestellt“, sagt der 40-Jährige. Er hofft auf einen Sieg der Separatisten. Nur öffentlich mit seinem Namen mag er das nicht mehr aussprechen. „Ich fürchte mich vor den Asow-Kämpfern.“
Deshalb trägt Wladislaw immer seinen Pass bei sich und hat einen gepackten Koffer zu Hause - falls er nach Russland flüchten muss. Wladislaws Kollegin Alla, 55, pflichtet ihm bei. „Ich bin zwar Ukrainerin“, sagt die Verkäuferin. „Aber unsere Regierung hat sich seit 25 Jahren nicht um uns gekümmert und nur mit uns Geld verdient.“ Die „Volksrepublik Donezk“, hofft sie, werde ein Staat, der für die Menschen da ist.
Der Riss geht in Mariupol quer durch die Familien: Mit seiner Schwester redet Wladislaw nur noch das Nötigste. Sie unterstützt die ukrainischen Patrioten.
http://www.focus.de/politik/ausland/ukraine-krise/politik-und-gesellschaft-die-gespenstische-ruhe-vor-dem-sturm_id_4745301.html
Seit Monaten fürchtet die ukrainische Hafenstadt Mariupol eine Großoffensive prorussischer Rebellen. Die Industriemetropole ist strategisch wichtig - vor allem aber ist sie innerlich gespalten.
Familien spielen mit ihren kleinen Kindern am Strand, in der Ferne gleiten Containerriesen über das Meer, sanft kräuseln sich die Wellen. Ein normaler warmer Sommertag in Mariupol, der ukrainischen Hafenmetropole am Asowschen Meer. Doch in dieser Stadt ist nichts normal - allenfalls die Spannung, die seit Monaten wie ein sich nie entladendes Gewitter in der Luft hängt.
Die alte Kosakenstadt, schon in den Händen von Türken, Russen und Deutschen, wartet auf die lang angekündigte Offensive prorussischer Rebellen. Jeden Tag wabern neue Gerüchte durch die Straßen, vom Angriff am Morgen oder in der Nacht, mal von Norden, mal von Osten.
Abends hören die Bewohner das Donnern von Artilleriegeschützen am Strand. Zwei kurze dumpfe Schläge folgen jedem Abschuss. Der Wind trägt sie von der Front im Dorf Schirokine herbei. Dort, höchstens 20 Kilometer entfernt, liefern sich ukrainische Soldaten und prorussische Rebellen trotz des offiziellen Waffenstillstands seit Februar heftige Scharmützel.
Fiele Mariupol an die Separatisten, erhielte Russland eine Landbrücke zur Krim und zum Schwarzen Meer. Die Ukraine verlöre einen ihrer wichtigsten Häfen und die größten Stahlwerke des Landes. Niemand weiß, ob eine Invasion wirklich kommt, aber die Angst davor ist überall zu spüren.
Mariupol bereitet sich auf einen Angriff vor
Knapp eine halbe Million Menschen lebte hier vor dem Krieg. Viele sind geflohen. Die Verbliebenen versuchen, ihren Alltag zu leben, so gut es geht. Mütter bringen ihre Kinder am Tag zur Schule, um die Plattenbauten drehen abends Jogger ihre Runden, am Meer angeln Rentner. Mittendrin laufen die Vorbereitungen für einen möglichen Angriff.
An den Ausfallstraßen hat die Armee mit Sandsäcken und Betonblöcken Straßensperren errichtet. Vor der Stadt heben Freiwillige und Soldaten Gräben aus, errichten Gefechtsstellungen. Für einen Angriff von See wurden angeblich Teile der Küste vermint. Es soll sich nicht wiederholen, was im April vorigen Jahres passierte: Da nahmen prorussische Separatisten Mariupol im Handstreich ein. „Unser Feind ist diesmal hoffentlich nicht so dumm anzugreifen. Es würde ein Blutbad geben“, sagt ein Sprecher des Asow-Bataillons. Kämpfer dieses Freiwilligenverbands befreiten die Stadt nach zwei Monaten aus den Händen der Separatisten.
"Wenn sterben, dann hier"
Seitdem rollte eine patriotische Welle durch die Stadt. Menschen wie Maria Podybajlo wollten nicht untätig auf den Tag X warten. Die Uni-Dozentin bemalte zusammen mit ihren Studenten Laternen und Strommasten in Blau und Gelb, den ukrainischen Nationalfarben. Sie sammelt Geld für Munition, Essen und Schutzwesten. Und sie gründete die Organisation „Neues Mariupol“, mit der sie Teenagern beibringen will, dass sie womöglich eines Tages ihre Heimatstadt verteidigen müssen.
Die 40-Jährige mit dem blonden Kurzhaarschnitt beobachtet eine Gruppe von Jugendlichen, die sich mit Liegestützen abmühen, an Tauen entlanghangeln, um die Wette rennen. Auf einem Militärgelände im Stadtteil Primorskij nahe dem Meer üben die Jugendlichen Erste Hilfe; wie man mit Luftgewehren schießt und Kalaschnikows zusammensetzt. Walerija, die mit ihren drei Freundinnen am Training teilnimmt, ist begeistert. Die 16-Jährige trägt Leggings und hat modisch ihr T-Shirt über dem Nabel geknotet. Alle vier Mädchen wollen zur Armee, falls der Ukraine-Konflikt nach ihrer Schulzeit nicht beendet ist. „Ich dachte erstmals darüber nach, als die Kämpfe nach Mariupol kamen“, erzählt Walerija. „Es gab Panik in meiner Straße. Ich habe mir gedacht, wenn sterben, dann hier.“
Die Stadt ist zerrissen
Die patriotischen Aufwallungen haben jedoch nicht alle erfasst. Viktoria Priduschenko, eine Ex- Nationalgardistin, die zu Fuß durch die Stadt patrouilliert, spricht sogar vom „inneren Feind, vor dem man sich hüten muss“. Denn Mariupol ist gespalten, zerrissen zwischen Russland und der Ukraine. Genau deshalb könnten die Kämpfe, sollten sie ausbrechen, besonders blutig werden.
Sogar Bürgermeister unterstützte kurzzeitig Seperatisten
Etwa ein Drittel der Bevölkerung wären laut Umfragen lieber Teil der prorussischen „Volksrepublik Donezk“. Nach der Eroberung durch die Separatisten voriges Jahr stimmten 92 Prozent für die Abspaltung von der Ukraine. Allerdings war die Beteiligung wegen der Kämpfe relativ niedrig. Bürgermeister Jurij Chotlubej, langjähriges Mitglied der Janukowitsch-treuen „Partei der Regionen“, und die Polizei trugen das orange-schwarze St. Georgsband, das Erkennungszeichen der Separatisten, zur Schau. Inzwischen schwenkte der Stadtchef öffentlich auf die Seite der Ukraine um.
Auch der größte Magnat der Stadt, Rinat Achmetow, verhielt sich zwiespältig. Der Besitzer von Asow-Stahl, der Iljitsch-Stahlwerke und der Waggonwerke Asowmasch unterstützte angeblich zunächst die prorussischen Rebellen. Erst einen Monat nach der Besetzung der Verwaltungsgebäude in Mariupol ließ er seine Arbeiter für eine geeinte Ukraine auf die Straße gehen. Achmetows Geschäfte sind eng mit Russland verbunden: Es war größter Abnehmer der Züge und Zisternen von Asowmasch. Jetzt muss sich die Fabrik neue Käufer suchen.
Im Osten Mariupols riecht es nach Achmetows Stahlwerken, nach Kohle und Ruß. Im Arbeiterviertel Wostotschnyj gibt es keine Cafés, nur Kioske, an denen Bier verkauft wird. Einzelne Graffiti mit den Buchstaben „DVR“- Donezker Volksrepublik - sind an Häuserwände geschmiert. Viele Fassaden sind durchlöchert, Plastikplanen ersetzen Fenster. Im Januar gingen hier Grad-Raketen nieder - abgefeuert aus dem von Separatisten kontrollierten Gebiet. Das jedenfalls behaupteten Beobachter der OSZE.
Konflikt zerreißt Familien
Wladislaw besitzt ein Bekleidungsgeschäft in Wostotschnyj; er glaubt diese Geschichte nicht. Auch sein Kiosk wurde von Raketen getroffen. Er ist sicher, dass die ukrainische Armee sie abgeschossen hat, um die Stimmung zu beeinflussen. „Vorher hatte die Stadtverwaltung sogar Gas, Strom und Wasser abgestellt“, sagt der 40-Jährige. Er hofft auf einen Sieg der Separatisten. Nur öffentlich mit seinem Namen mag er das nicht mehr aussprechen. „Ich fürchte mich vor den Asow-Kämpfern.“
Deshalb trägt Wladislaw immer seinen Pass bei sich und hat einen gepackten Koffer zu Hause - falls er nach Russland flüchten muss. Wladislaws Kollegin Alla, 55, pflichtet ihm bei. „Ich bin zwar Ukrainerin“, sagt die Verkäuferin. „Aber unsere Regierung hat sich seit 25 Jahren nicht um uns gekümmert und nur mit uns Geld verdient.“ Die „Volksrepublik Donezk“, hofft sie, werde ein Staat, der für die Menschen da ist.
Der Riss geht in Mariupol quer durch die Familien: Mit seiner Schwester redet Wladislaw nur noch das Nötigste. Sie unterstützt die ukrainischen Patrioten.
http://www.focus.de/politik/ausland/ukraine-krise/politik-und-gesellschaft-die-gespenstische-ruhe-vor-dem-sturm_id_4745301.html
Re: Entwicklungen rund um Mariupol!
Mariupol und das Schicksal der Ukraine
Kein gutes Zeichen für den Minsker Friedensprozess in der Ostukraine: Nahe der südostukrainischen Hafenstadt Mariupol sind schwere Gefechte aufgeflammt. Beobachter glauben, dass Moskau mit dem Gedanken spielt, sich vom Minsker Abkommen abzuwenden. Ein Kompromiss zwischen den Separatisten und Kiew ist schwer vorstellbar – und der Status quo nutzt vor allem der Ukraine.Strategisch wichtiges Mariupol
Für beide Seiten ist Mariupol von großer Bedeutung. Das ostukrainische Separatistengebiet ist ohne die 468.000 Einwohner große Industrie- und Hafenstadt wirtschaftlich nicht lebensfähig. Vor dem Krieg in der Ukraine bestritt Mariupol etwa 35 Prozent des Wirtschaftsaufkommens des Oblasts Donezk, zu dem es gehörte. Stahlwerke in Mariupol machten 70 Prozent der Stahlproduktion der Region aus. Für die Exportwirtschaft des Donbass ist Mariupols Hafen unverzichtbar. Für Russland wäre die Eroberung Mariupols durch die Separatisten eine wichtige Etappe bei der Herstellung einer Landverbindung zur annektierten Halbinsel Krim.
Ohne Mariupol ist das Separatisten-Gebiet wirtschaftlich nicht lebensfähig.
In Mariupol entscheidet sich womöglich das Schicksal der Ukraine. Aus dem Grund hat der Westen einen Separatisten-Angriff auf die Hafenstadt, der nur mit massiver russischer Unterstützung möglich wäre, stets als das Überschreiten einer roten Linie bezeichnet – mit schweren Folgen für die Beziehungen zwischen Washington der Europäischen Union und Russland.
Ergebnis des Minsker Abkommens: Die Zeit arbeitet gegen Moskau
Ob das Moskau dauerhaft abschreckt, muss sich zeigen. Es gibt Anzeichen dafür, dass Moskau mit der Entwicklung der Dinge seit dem Minsker Abkommen unzufrieden ist und Handlungsoptionen erwägt. Denn je mehr Kiew es vermag, die Rest-Ukraine politisch und wirtschaftlich zu stabilisieren, desto mehr fällt Moskau das wirtschaftlich nicht lebensfähige besetzte Donbass-Gebiet zur Last – wirtschaftlich und politisch.
Je mehr Zeit die Regierung in Kiew kaufen kann, um etwa in aktuellen Verhandlungen mit Kreditgebern ihre finanzielle Lage zu stabilisieren, desto mehr werden die Ukrainer in den Orbit der Europäischen Union gezogen.
The Washington Times
Gleichzeitig intensivieren sich aber die Verbindungen zwischen Kiew und dem Westen – politisch, wirtschaftlich, finanziell und militärisch. 1800 amerikanische, britische, kanadische, polnische und andere Nato-Soldaten befinden sich derzeit in der Ukraine − um die ukrainischen Truppen auszubilden, und um selber etwas über den neuen Gegner im Osten zu lernen. Das berichtet die mit dem US-Magazin Newsweek verbundene Internetzeitung The Daily Beast. „Je mehr Zeit die Regierung in Kiew kaufen kann, um etwa in aktuellen Verhandlungen mit Kreditgebern ihre finanzielle Lage zu stabilisieren, desto mehr werden die Ukrainer in den Orbit der Europäischen Union gezogen“, sieht auch die US-Tageszeitung The Washington Times voraus. Das wäre das genaue Gegenteil von dem, was Moskau in der Ukraine erreichen wollte. In der Ukraine arbeitet die Zeit für Kiew und gegen Moskau.
Blockade zwischen Kiew und den Separatisten: Kompromiss unmöglich
Tatsächlich habe das Minsker Abkommen für Moskau in eine Sackgasse geführt, analysiert das US-Monatsmagazin The Atlantic (Auflage: 489.000). Die Positionen zwischen der Regierung in Kiew auf der einen Seite und den Separatisten und Moskau auf der anderen sind unvereinbar: Kiew verlangt vor einer Wiederherstellung des ukrainischen Gesamtstaates die Kontrolle über die Grenzen zu Russland, freie, faire und international überwachte Wahlen in der Ostukraine, die Entwaffnung der Separatisten sowie den Abzug aller russischen Truppen und Waffen. Moskau und die Separatisten dagegen wollen der Region innerhalb der Ukraine eine so große Autonomie garantieren, dass sie faktisch zum russischen Protektorat würde, so The Atlantic. Die Separatistenführer sollen zur legitimen Regionalregierung werden, ihre Kämpfer zur regionalen Polizeitruppe.
Zwischen den Positionen Kiews und der Separatisten ist ein Kompromiss unmöglich. Weitere Verhandlungen können zu nicht viel führen. Das Ergebnis ist eine vollständige Blockade – und die ist zum Vorteil Kiews. Denn je länger der Zustand andauert, desto nachteiliger ist er für Russland, erklärt der ukrainisch-amerikanische Historiker und Politik-Professor Alexander Motyl: „Die Donbass-Enklave ist ein wirtschaftliches Chaos. Für die Ukrainer ist es darum von Vorteil, wenn sie sich die Region so lange wie möglich und so weit möglich vom Leibe halten können; für die Russen ist es ein Nachteil, für sie verantwortlich sein zu müssen.“
Russische Pässe für die Ost-Ukrainer?
Ukraine- und Russland-Experte Motyl: „Russland hat keine guten Optionen im Donbass.“ Mit dem Minsker Friedensprozess bekommt Moskau nicht das, was es in der Ukraine will: dauerhafte Destabilisierung der Ukraine und Verhinderung eines Kiewer Westkurses. Sucht Moskau nun darum einen Vorwand, um aus dem Minsker Abkommen ausbrechen zu können?
Plötzlich würde Russland dort nicht mehr ethnische Russen schützen, sondern russische Bürger.
Die wieder aufflammenden Gefechte nahe der strategischen Schlüssel-Stadt Mariupol könnten ein Hinweis darauf sein. Beunruhigend ist in dem Zusammenhang, dass in Moskau die Forderung lauter wird, den Bewohnern des Donbass-Gebietes russische Pässe zu geben. Wenn es dazu käme, würde das den Konflikt in der Ostukraine über Nacht dramatisch verändern, warnt The Atlantic: „Plötzlich würde Russland dort nicht mehr ethnische Russen schützen, sondern russische Bürger – was es für Moskau einfacher machen würde, dort offen und direkt zu intervenieren.“
https://www.bayernkurier.de/ausland/4915-mariupol-und-das-schicksal-der-ukraine
Beitrag um ein paar nicht mehr aktuelle Sätze gekürzt!
Re: Entwicklungen rund um Mariupol!
Ein Kompromiss zwischen den Separatisten und Kiew ist schwer vorstellbar – und der Status quo nutzt vor allem der Ukraine.
Sehr interessanter Beitrag. Dazu möchte ich auch nochmal auf eine ältere Einschätzung aus Zettels Raum hinweisen, den ich hier schon mal irgendwo verlinkt hatte, aber nicht wiederfinde...
Der Pyrrhussieg
Der Titel sagt alles. Putler wird seine Ziele - Unterwerfung der Ukraine - nicht erreichen und die Ukraine wird sich nach Westen orientieren.
Erpel- Ukraine Kenner
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